Stolpersteinverlegung in Kirchhain

… am 27. März 2023

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Trotz winterlicher Kälte fanden sich zur siebten Stolpersteinverlegung am 27. März 2023 in Kirchhain bis zu zweihundert Menschen zusammen. Sie gedachten der Familien Moses, Wertheim und Heilbrunn.

Die Stolperstein-AG der AWS hatte bei ihren Recherchen zu den Familiengeschichten Kontakt zu Nachfahren der Familien herstellen können. Während Cheryl Zanone, Nachkomme der Familie Heilbrunn, der Verlegung per Videostream beiwohnte, waren Peter Moses aus den USA, Jutta Gloth und Rita Mayer aus Ostdeutschland angereist, um persönlich an der Zeremonie teilzunehmen. Erst durch die Erforschung der Familiengeschichte von Felix Moses hatten letztere von ihrer Verwandtschaft erfahren, sodass sie sich anlässlich der Verlegung zum ersten Mal trafen. Bürgermeister Olaf Hausmann verlieh in seiner Begrüßung seiner besonderen Freude über die Anwesenheit von Nachkommen der jüdischen Familien Ausdruck.

Bei der ersten Station in der Untergasse 12 wurden Stolpersteine für Felix Moses, seine Frau Lotte, geborene Bachenheimer, und ihren Sohn Heinz (Henry) verlegt. Die Familie konnte 1934 in die USA fliehen. Wie einschneidend Felix Moses als Kantor und Lehrer die ersten Wochen der Naziherrschaft erlebte, führte ein szenisches Spiel des DS-Kurses der Jgst. 11 unter Leitung von Silke Trux eindrücklich vor Augen.

An der zweiten Station, in der Mühlgasse 9, verlegte Katja Demnig stellvertretend für ihren Ehemann Gunter Demnig Stolpersteine für Hermann Wertheim und seine Frau Paula (geb. Stern) und ihre Kinder Max und Margarethe. Die Familienbiografie wurde diesmal vom Heimat- und Geschichtsverein Kirchhain (Kerstin Ebert und Harald Pausch) vorgetragen.

Auch der Familie Wertheim gelang die Flucht aus Nazideutschland in die USA.

Mich haben die Geschichten und das Schicksal der geflohenen Familien bewegt“, sagte Melis Sayar (G8c) im Redebeitrag der Stolperstein-AG. „Wenn ich versuche, mich in die Situation der Opfer hineinversetze, finde ich es unvorstellbar, gezwungenermaßen meine Heimat zu verlassen. Deshalb finde ich es wichtig, die Erinnerungen an die geflohenen Juden und Jüdinnen aufrechtzuerhalten – mithilfe von Stolpersteinen gegen das Vergessen.“

Die WPU-Kurse Musik der Jgst. 9 und 10 unter Leitung von Anna Keßler und Torsten Mihr trugen an dieser Station ein Klezmer-Stück vor, einer in Osteuropa entstandenen jiddischen Musiktradition.

In der Niederrheinischen Straße, vor dem Haus Nr. 10, wurde mit Stolpersteinen erinnert an Moses und Sara Heilbrunn und die Familien ihrer Söhne: Max, Alma und ihren Sohn Manfred sowie Erich, Bella und ihren dreijähriger Sohn Ernst. Sie alle flohen 1938 bzw. 1940 in die USA. Ein weiterer Beitrag des Darstellenden Spiels rückte die Flucht von Erich, Bella und Ernst Heilbrunn in den Fokus. Bei der Flucht rettete Erich Heilbrunn, wie erst im Zuge der Recherchen deutlich wurde, eine der Kirchhainer Thorarollen in die USA – die anderen Rollen wurden fünf Wochen später bei der Pogromnacht vom November 1938 mit dem Innenraum der Kirchhainer Synagoge zerstört. Cheryl Zanone, Enkelin von Erich Heilbrunn, dankte in ihrer per Stream übertragenen Rede dafür, dass nun an ihre Familie vor dem Haus gedacht werde, das einst das „Herz der Familie“ war. Und sie appellierte an die Anwesenden: „It is hard to believe that Anti-Semitism continues to exist and is still so rampant today. May we all be smart and grow from our history!  May we recognize and unite our strength to conquer other similar evils that are present in our society today.

Zum Gedenken an die in Shoah ermordeten Jüdinnen und Juden trug Thorsten Schmermund von der Jüdischen Gemeinde Marburg das Gebet „El male rachamim“ vor. Abschließend unterstrich Schulleiter Matthias Bosse die Bedeutung des Stolpersteinprojekts, um die Erinnerung wachzuhalten. Zwei von den Musikkursen vorgetragene Lieder rahmten die Wortbeiträge an dieser Station gefühlvoll ein.

Es war auch für die Nachkommen beeindruckend, dass so viele Schülerinnen und Schüler der AWS bei der Gestaltung der Verlegung mitgewirkt oder als Teil des Publikums an der Verlegung teilgenommen haben. Für die Mitglieder der Stolperstein-AG war es ein besonderes Erlebnis, die Nachfahren der Familie Moses schon am Vorabend bei einem Begrüßungsessen kennenzulernen. Die Offenheit, mit der vor allem Peter Moses ihnen begegnete, ließ schnell ein angeregtes Gespräch entstehen. Der Kontakt zu ihm wie auch zu Cheryl Zanone wird, so hoffen wir, weiter bestehen bleiben.

Nähere Informationen zu den Familien Moses, Wertheim und Heilbrunn finden sich im Flyer zur Verlegung.  

Die OP berichtete von der Stolpersteinverlegung.

Barbara Sonnenberger, Paula Trzaskalik (Stolperstein-AG ARRET)