Aus der Idee die Volks-, Mittel- und Oberschule räumlich zusammen zu legen, entwickelte sich ein neues Schulkonzept, das darüber hinaus die Integration der drei Schulformen in einem gemeinsamen pädagogischen Konzept und Verwaltungsapparat beinhaltete.
Die geplante Schule in Kirchhain war die erste im Land Hessen, die die Bezeichnung „Gesamtschule“ trug.
Gedanken und Begründungen des Gesamtschulkonzeptes:
Organisatorische und finanzielle Aspekte
Das Betreiben eines gemeinsam genutzten Schulgeländes war mit weniger Kosten- und Organisationsaufwand verbunden als drei voneinander getrennte, insbesondere deshalb, weil notwendige fachspezifische Räumlichkeiten (Turnhallen, Naturwissenschaftsräume, etc.) und Lehr-, Lern- und Arbeitsmittel gemeinsam genutzt und verwaltet werden konnten.
Die Organisation der Schule durch einen gemeinsamen Schulleiter, der Unterricht durch eine Lehrerschaft, ein Gesamtelternbeirat und eine Gesamtschülervertretung für alle drei Schularten bedeutete eine immense organisatorische und wirtschaftliche Entlastung.
Der Übergang eines Schülers/einer Schülerin von einer in eine andere Schulform war mit einem nur sehr geringen Aufwand möglich.
Soziale und politische Aspekte
Das System der Dreiklassengesellschaft sollte „im Kleinen“ durch den Aufbau einer Beziehung der drei Schulformen zueinander aufgebrochen werden, um dem sozialpolitischen Fortschritt jener Zeit zu entsprechen.
„Sie (die Gesamtschule Kirchhain) ist vertikal gegliedert und stößt deshalb die drei Säulen, auf denen bisher unser Schulwesen ruht, nicht um, aber es verbindet sie horizontal durch ein gemeinsames Wollen und durch ein vielfaches und vielfältiges gemeinsames Tun.“ (Schulräte Diedrich und Mütze, 1955)
Der Unterricht der Mädchen und Jungen sollte in einer gemeinsamen Klasse erfolgen. Ebenso sollte die konfessionelle Gemeinschaft gewahrt werden.
„Die Schulgemeinschaft ist eine pädagogische Aufgabe der Zukunft. (…) Aufgabe der Schulgemeinschaft ist, Achtung vor dem Anderen zu haben, Gleichberechtigung. Diese Gesinnung ist wieder in die Jugend hineinzubringen.“ (ebd.)
Pädagogische Aspekte
Ziel des Gesamtschulkonzepts war die Herausbildung einer Gemeinschaft von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern.
„Die Lehrer und die Schüler der drei Schularten sollen sich in ihrem täglichen Schulleben begegnen, und sie sollen eine Gemeinschaft bilden, die nebeneinander und miteinander und füreinander arbeitet.“ (ebd.)
Die Bildung dieser Gemeinschaft sollte sowohl durch das Zusammenkommen der Beteiligten auf einem gemeinsamen Schulgelände als auch durch gemeinsame schulische Veranstaltungen und Arbeitsgemeinschaften (Schulchor, Turnen, etc.) gewährleistet werden.
„Die gemeinsame Arbeit der Schüler aller drei Schularten wird den Gemeinschaftssinn fördern und die heranwachsenden Menschen befähigen, auch im späteren Leben in der Gemeinschaft und für die Gemeinschaft zu leben und zu arbeiten.“ (ebd.)
Nina Kretschmer, Theresia Zschornak